Einblicke: Mühle St. Johann
Eine traditionsreiche Chiemgauer Mühle
Es klappert die Mühle am rauschenden Bach… Im Chiemgau gibt es noch mehrere kleine Mühlen, die zum Teil seit vielen Jahrhunderten aus regionalem Getreide Mehl, Schrot und mehr herstellen. Werft mit mir einen Blick hinter die Kulissen der Mühle St. Johann bei Siegsdorf und kommt mit in den urigen Mühlenladen!
Die Mühle St. Johann bei Siegsdorf
Ein bisschen fühlt es sich so an, als reise man beim Besuch der Mühle St. Johann in eine längst vergangene Zeit. Und ein bisschen stimmt das auch. Die malerisch gelegene Mühle ist eine der wenigen Kleinstmühlen hierzulande, die noch existiert. Seit 1506, mehr als ein halbes Jahrtausend, wird in dem kleinen Weiler bei Siegsdorf aus Korn Mehl gemahlen. Einst mit Wasserrad und Mahlstein, heute mit Wasserturbine und Walzenstuhl.
„Damals, da hast du einfach in einer Mühle gearbeitet, da war das hier alles selbstverständlich.“ erzählt Josef Bachmeier, der seit 1977 die Geschicke der Mühle St. Johann leitet. „Und heute, da ist das hier ein bestaunenswertes Mobiliar, heute, da bist du ein Exot.“ In einer sich immer schneller verändernden Welt ist der Müllermeister der Mühle St. Johann zu einer außergewöhnlichen Konstante geworden. „Hier in der Mühle, da merkt man, wie sehr sich die Welt da draußen verändert – und mit ihr die Menschen. Für Außenstehende ist die Mühle wie aus einer stehengebliebenen Zeit, etwas Besonderes. Das erstaunt mich oft, denn ich war hier all die Jahre ja aktiv.“ Die Mühlen sind – auch wenn es so scheint – in St. Johann nicht stehengeblieben. Es wird immer wieder modernisiert und ergänzt. Doch eben behutsam und mit Bedacht. „So ein Walzenstuhl, der läuft locker 100 Jahre und länger. Warum soll ich eine Maschine ersetzen, die da ist und ihre Aufgabe gut erfüllt?“ Eine neue, hoch technologische Maschine würde für die Kleinstmühle auch keinen Sinn machen. Während Industriemühlen bis zu 100.000 Tonnen am Tag mahlen, werden in der Mühle St. Johann etwa 500 Tonnen im Jahr gemahlen. „Der Vorteil ist, dass ich unseren alten Walzenstühle noch selbst justieren und reparieren kann. Und solange sie funktionieren, werden sie genutzt. So scheint unsere Mühle vielleicht ein wenig wie ein Museum, aber sie ist eben auch durch und durch authentisch.“
Regionales Mehl aus dem Chiemgau
Bis zu 1000 Kilogramm Getreide vermahlt die Mühle in einer Stunde zu backfähigen Mehlen ohne Zusatzstoffe. Weizen, Roggen und Dinkel für die hochwertigen Mehle stammen von bayerischen Bauern. Über die Jahrzehnte konnte sich die Mühle St. Johann ein Netzwerk aus regionalen Landwirten aufbauen, die die Mühle mit ihrem Getreide beliefern. Das bringt nicht nur eine gewisse Stabilität in schwierigen globalen Zeiten – auch die Qualität stimmt. Und die ist für ein gutes Mehl unabdingbar. „Man kann nicht einfach ein Getreide vermahlen und hat automatisch ein gutes Mehl“, erklärt der Müllermeister. „Ein gutes Mehl machen viele Faktoren aus – Eiweißgehalt, Backfähigkeit, Rösche, Bräune, Geschmack – und die resultierten aus einer bestimmten Getreidequalität in Kombination mit einer schonenden Verarbeitung.“ Beim Mahlen selbst hat besonders der Walzenstuhl – das Herzstück einer Mühle – mit seinen tausenden von Rillen, großen Einfluss auf die Qualität eines Mehls. Je schärfer die Schneide einer Rille ist, desto höher ist der Durchsatz. Doch sind die Riffeln leicht stumpf, wird das Mehl wolliger, voluminöser und weicher. Für beste Qualität muss man also auch einen gewissen Energiebedarf in Kauf nehmen. Doch für Josef ist nur das Ergebnis entscheidend. Ein Vorteil seiner Mühle: Sie nutzt die Wasserkraft der Roten Traun. Bei guter Wassermenge reicht der erzeugte Strom für die gesamte Mühle.
Das Schönste am Müllerhandwerk ist für Josef, dass er aus dem ihm anvertrauten Rohstoff ein Produkt entstehen lässt, das jeder nutzen kann. „Der Landwirt, der hier in der Region seine Flächen bestellt und mit seiner Kraft, seinem Engagement einen Getreide erzeugt, das ich dann weiter verarbeiten und zu hochwertigem Mehl veredeln darf – diese Zusammenarbeit, dieses Ineinandergreifen, diese Nachhaltigkeit wenn man so will, das ist schon toll. “ Und stärkt die regionalen Kreisläufe. Etwas, das dem Müllermeister sehr wichtig ist: „Viele Kleine decken auch einen großen Bedarf. Nur leider gibt es immer weniger davon.“ Heute veredelt Josef das Korn nach allen Regeln der Kunst – bis es soweit war, brauchte es allerdings viel Erfahrung. „Das Getreide ist ja nicht immer gleich beschaffen. Da braucht es viel Feingefühl, das ist ein langer Prozess.“ Doch dann schafft man es auch aus schon verloren geglaubtem Getreide ein Mehl von einwandfreier Qualität zu erzeugen und die regionale Wertschöpfung hochzuhalten.
Der Mühlenladen der Mühle St. Johann
Wie viele Kleinstmühlen hat auch die Mühle St. Johann seit fast 30 Jahren einen kleinen Laden. Über eine schmale Treppe gelangt man zum Mühlenladen im ersten Stock. Begleitet vom beständigen Rattern der Walzenstühle können sich die Besucher durch das umfangreiche Sortiment stöbern. Mehr als 40 verschiedene Getreide-, Körner- und Flockenarten sowie mehr als 25 verschiedene Mehle, Schrote und Griesse aus Weizen, Roggen und Dinkel stehen zur Auswahl. Daneben gibt es Müslis und Cerealien, Nudelsorten aus Hartweizen und Dinkel, Trockenfrüchte und Nüsse, Tees und Getreidekaffee, Kräuter, Gewürze und Öle, Aufstriche und Suppen, Backzutaten für die Hausbäckerei, Getreidemühlen, Bücher und vieles mehr. Der Großteil der Produkte stammt aus der Region und ist von Bio-Qualität. Und damit man die teils schweren Einkäufe nicht über die steile Stiege schleppen muss, werden diese mit einem Seilzug aus dem Fenster direkt hinunter zum Kundenparkplatz befördert. Praktisch!
Führung durch die Mühle
Übrigens: Wer so wie ich einen detaillierten Blick hinter die Kulissen der Mühle St. Johann werfen möchte, sollte sich unbedingt für eine Mühlenführung beim Müllermeister anmelden!
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